Glanz der Gründerzeit - virtuelle Ausstellung

Die Tuchfabrik Gebrüder Zschille

1842 wurde die Tuchfabrik Gebrüder Zschille von Herrmann und Louis Zschille am Katharinenplatz gegründet. Ihr Vater hatte noch auf der Schloßstraße produziert, bevor die Familie 1835 das Gelände außerhalb der Stadtmauern erwarb, um zu expandieren. Mit der Aufstellung einer Dampfmaschine gehörten die Gebrüder Zschille zu den modernsten Betrieben in der Stadt. 1848/50 wurden ein neues Maschinenhaus und ein Saal für 36 Handwebstühle eingerichtet, wenige Jahre später folgten die ersten mechanischen Webstühle. 1858 waren in der Fabrik 150 Arbeiter beschäftigt, man exportierte bis nach Amerika. Der 1847 geborene Richard stieg 1866 als Lehrling in die Firma ein. 1871 übernahmen Richard und sein Cousin Georg als Teilhaber die Geschäftsführung. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfolgte 1899 die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. 1900 musste Richard aus dem Vortand auscheiden und privat Konkurs anmelden.

Richard Zschille - Fabrikant, Mäzen und Stadtrat

Richard Zschille gehörte seit den 1870er Jahren zu den führenden gesellschaftlichen Akteuren in Großenhain. Ab 1872 war er im Vorstand der Aktiengesellschaft zum Bau des Gesellschaftshauses tätig. Im selben Jahr heiratete er die Tochter des Chemnitzer Lokomotivenkönigs Richard Hartmann, eine der führenden Industriellenfamilien Sachsens. Als Mäzen stiftete Zschille 1883 das Lutherfenster in der Marienkirche und finanzierte die Restaurierung des spätmittelalterlichen Katharinenaltars. 1887 zog er in den Stadtrat ein. Seine besondere Leidenschaft gehörte dem Reiten und der Jagd. Im Parforce-Jagdvereint traf er die adlige Elite der Rittergutbesitzer und Offiziere, deren Traditionsbewusstsein und Lebensstil er nachahmte und zu übertreffen suchte.

Ritter Reginhardus Zschille beim Wettinfest 1889

Richard Zschille war ein Kind der historistischen Epoche. Mit seinen Sammlungen, der historistischen Traumvilla, der Leidenschaft für Pferde und Wagen lebte er in der Vergangenheit. Zum Wettinjubiläum 1889 in Dresden führte er als Ritter Reginhardus den Zug der Großenhainer Tuchmacher an. Die Requisiten stammen aus seiner eigenen Waffensammlung, einer der wertvollsten der Zeit. Auf Grundlage der Sammlung gab er bis heute zitierte Kataloge über alte Sporen, Trensen und Steigbügel heraus. Die Illustrationen steuerte der begabte Zeichner aus eigener Hand bei.Viele Abende muss er bei dieser Beschäftigung und mit seinen Sammlungen verbracht haben. Das Foto enstand im Innenhof der Villa Zschille.

Die Waffensammlung Zschille

Waffen waren das besondere Steckenpferd des Sammlers. 1894 erschien ein eigener großer Katalog über "Die Waffensammlung des Herrn Stadtrath Richard Zschille in Großenhain" von Robert Forrer. Wir kennen daher den Bestand sehr genau, der von der Antike bis in die frühe Neuzeit reichte. Ein großer Teil findet sich in der Auktion "collections of armour and arms and hunting equipments of Herr Richard Zschille of Großenhain" von 1897 bei Christies in London wieder. Die Sammlung und der Name Zschille waren ein Begriff. Die Stücke wurden deshalb in alle Welt zerstreut. Bereits einige Jahre zuvor kaufte Dresden rund 100 Stücke von Zschille. Teile der Sammlung waren daher im alten Dresdner Johanneum (Abbildung) und sind heute im Dresdner Schloss zu bewundern!

Die Majolika-Sammlung

Ein weiterer Sammlungsschwerpunkt bildete die italienische Majolika. Die farbenfrohe glänzend gebrannte Keramik war ein Aushängeschild der italienischen Renaissance und in ganz Europa begehrt. Zschille besaß eine der besten Sammlungen seiner Zeit. Der bekannte Kunsthistoriker Otto von Falke publizierte sie 1899 in einem eigenen Katalog. "Großzügig" stellte Zschille sie ab 1896 im neuen Leipziger Kunstgewerbe-(Grassi-)Museum aus. Sie war dort ein Pfand für Leipziger Kreditbürgen. 1899 wanderte sie direkt in die Londoner Versteigerung des bekannten Auktionshauses Christies. Der Direktor des Leipziger Museums Richard Graul berichtete: Die Sammlung Zschille hat 190.000 Mark ergeben, erheblich weniger als allgemein angenommen wurde. Die großen Sammler haben den Museen keine Konkurrenz gemacht, alle haben weit unter Taxe gekauft". Das Britische Museum in Londos, Berlin, der Fürst Liechtenstein und Frankfurt heimsten die besten Stücke ein. Leipzig erwarb vier Majoliken, darnter den Apothekertopf mit Papstbüste und Tierfiguren aus Deruta/Siena 1507 (Bild). So blieben immerhin einige STücke in Sachsen in der Nähe Großenhains.

Sogenannter Apostelkrug, Steinzeug mit Silberdeckel aus Kreussen, 1654

Ein weiteres Prunkstück au der ehemaligen Sammlung Zschille ist dieser sogenannte Apostelkrug. Er wurde in Kreussen in Oberfranken gefertigt, einer bekannten Steinzeug-Manufaktur des 16. und 17. Jahrhunderts. Der Krug zeigt umlaufend in bunten Farben Darstellungen der 12 Apostel. In den Deckel ist eine Silbermedaille des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen aus dem Jahre 1535 eingelassen. Der Krug gehört zu den Nachlässen im Leipziger Kunstgewerbemuseum, dem heutigen Museum für Angewandte Kunst. Vielleicht ist sie zukünftig einmal in einem neuen Großenhainer Museum zu sehen?

Ritterheiliger St. Georg

Als Besucher äußerte sich der Freiherr von Ompteda besonders überschwänglich über die kirchliche Kunst im Hause Zschille: "Mir sind besonders die kirchlichen Kultusstücke: Kelche, Monstranzen und Ziborien, im Gedächtnis geblieben". Ein herausragendes Beispiel sakraler Kunst ist auch die wunderbare Holzfigur des St. Georg. Sie entstand am Ende des Mittelalters um 1490 vermutlich in einer Tiroler Werkstatt. Die hervorragende Erhaltung und die farbige Fassung kennzeichnen die außerordentliche Qualität des Stückes. 1903 wurde die Figur vom Leipziger Kunstgewerbemuseum aus der Konkursmasse der Sammlung Zschille erworben.

Repräsentation und Glanz einer versunkenen Epoche

Leider sind aus dem Innern des Hauses Zschille keine Bilder überliefert. Eine Schilderung des Freiherrn von Ompteda über den "weltbekannten Sammler Z." gibt einen Eindruck. "Schon beim Eintritt in das sich als "altdeutsch" kennezichnende Haus empfingen den Besucher Waffen und Rüstungen, die sich in den nächsten Raum dahin steigerten, dass bald Getäfel, Wandbehänge, Beleuchtungskörper, Scheiben bis herab zu den Türklinken "aus der Zeit" waren. Mir sind besonders die kirchlichen Kultusstücke: Kelche, Monstranzen und Ziborien, im Gedächtnis geblieben." Einen Eindruck des reichen Interieurs gibt die Abbildung aus dem Berliner Auktionskatalog mit der Konkursmsse der Sammlung Zschille von 1901. Sie zeigt zwei Renaissance-Schränke, eine gotische Messingschüssel, italienische Majolika-Vasen, chinesische Porzellanschalen, Helme und einen Leuchter.

Höhe- und Wendepunkt - die Weltausstellung in Chicago 1893

Die Teilnahme mit seinen Sammlungen auf der Weltausstellung in Chicago 1893 erscheint als glanzvoller Höhepunkt. Standesgemäß inszenierten die Sammlungen die Repräsentationsräume der im deutschen Dorf errichteten "Burg", einer mittealterlichen Traumkulisse im wilhelminischen Stil. Tatsächlich war es der verzweifelte Versuch des in Geldschwierigkeiten befindlichen Kunstliebhabers, Käufer für die Sammlungen im reichen Amerika zu gewinnen. Von März bis September weilte Zschille selbst in Amerika. Die Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht. Die Aufwendungen für den Transport über den Atlantik bis Chicago waren immens. Vor der Rückreise wurden die Sammlungen wegen unbezahlter Rechnungen sogar zurückgehalten und kehrten erst Monate später als geplant wieder nach Europa zurück. Außer Spesen nichts gewesen!

Das Traumschloss in der Johannes-Allee 123

Aufgewachsen war Richard Zschille in der Fabrikantenvilla auf dem Firmengelände am Katharinenplatz. Kurz nach seiner Hochzeit im Mai 1872 kaufte er sein eigenes Wohnhaus für 12.900 Taler. Das 1865 gebaute Haus lag im neuen Villenviertel an der Promenade (Johannes-Allee) unweit des Bahnhofs. Zielstrebig baute er es nach seinen Vorstellungen aus. Er setzte eine zusätzliche Etage auf, schmückte die Fassade mit Ziergiebeln, Stuckarbeiten und schmeideeisernen Dachbekrönungen. Der Zukauf von zwei benachbarten Grundstücke ermöglichte den Anbau von Seitengebäuden und eines großen Gartens. Das Haus wuchs zu einem standesgemäßen Anwesen im wilhelminischen Stil mit Stallungen und einer mittelalterlich anmutenden Toranlage. Hier inszenierte er seinen ritterlichen Lebensstil und hatte die passende Kulisse für seine Sammlungen. Er trug aus ganz Europa historische Bauelemente zusammen: Schmiedearbeiten aus Prag, Sandsteingewände aus einem bayerischen Kloster, Türen aus der Schweiz. Sogar eine alte Holzdecke aus dem Großenhainer Nonnenkloster wurde verbaut. Sie wurden zusammen mit dem Grundstück 1900 zwangsversteigert. Das Haus in der heuteigen Mozartallee 123 ist deshalb bis heute eines der wertvollsten Baudenkmäler und Kunstensembles der Stadt Großenhain.